WoW Stresstest Bericht

Miysis

Zealot
Staff member
Ist zwar viel Text aber recht gut geschrieben und vielleicht auch für die interessant, die keine Stress Beta gespielt haben:

Nachdem ich mir den Weg in WoW mittels eines kleineren Illusionszauber (/selfCast IP Mask (Rank 1)) gebahnt und mich als Angehöriger eines fragwürdigen Volkes ausgeben hatte, wurde mir die Ehre einer begrenzten Aufenthaltserlaubnis in den Gefilden dieser virtuellen Welt erteilt. Hmm, hmm. Wo nur anfangen? Also - dank eines freien Tages mit Handwerker im Haus - völlig subjektiv, ohne Vollständigkeit und Ordnung ein paar Zeilen zu meinen Eindrücken im Stresstest.

Erste Eindrücke
Wie viele andere bin ich relativ skeptisch und mit gemischten Erwartungen an die Sache herangegangen. Die Screenshots, als auch die immer etwas zu dunklen, ruckeligen Amateurfilmchen werden der Ingame Grafik nur mäßig gerecht. Die Polygone kann man an der Hand abzählen, die Charaktererstellung hat mich erstmal nicht beeindruckt, aber die Welt... sie ist aus einem Guß und hat Stil. Für jedes Gebiet wurde ein Charakter erstellt, ihm ein paar Level mit auf dem Weg gegeben und auf Entdeckungsfahrt gegangen. Wohin man auch blickt, überall sind kleine Details zu entdecken, die beweisen das es Designer gibt, die mehr als den Copy&Paste Befehl kennen.

Die Welt lebt und atmet, sofern man das von einem Online Game behaupten kann. Der Imp hat Hufeisen an den Füßen, der Gnom hinterläßt dagegen Fußstapfen der Größe 52 im Schnee und auf irgendeinem Gipfel in den Bergen findet man garantiert einen Totenschädel mit einer rostigen Axt zwischen den Augen und der Aufschrift: Killroy was here. World of Warcraft wirkt als virtuelle Welt glaubhaft, von den Landschaften, den Häuser, Farmen und Städten. Der Bonuspunkt für den meisten Stil geht an... das Untoten-Startgebiet. Richtig lieblich, als Untoter in einer Gruft aufzuwachen und von einem Totengräber begrüßt zu werden. Und dank schöner Texturen und den wenigen Polygonen kann man das alles weitgehend Lag und ruckelfrei genießen - auch wenn sich mehr als 30 Spieler auf einen Fleck befinden.

Aber... irgendwann auf der Erkundung der Welt sprach zu mir die STIMME: "Kerl, setz eine finstere Miene auf und werde seriös! Hopp, hopp! Level schinden! Die Finger sollst du dir auf der Tastatur blutig schlagen!" Na gut, ein Priester sollte es sein und als alter Viele-HP-Sein-Gut-Für-Dich-PvP-Griefnase wurde ein Zwerg genommen (Ich konnte nicht anders! Ich brauchte das Geld!). Die Charaktererstellung ist wie oben angedeutet eher bescheiden und so läßt sie sich auf 4 Worte begrenzen:

Zwerg, männlich, Bart im Gesicht, Priester.

Ich liebe es am Aussehen meines Charakters zu pfriemeln und WoW beglückt mich da überhaupt nicht *schwerer Seufzer*. Da herrscht noch einiges an Handlungsbedarf, mehr Auswahlmöglichkeiten bitte! Das können die besser, auch im Spiel selber. Vermutlich bin ich durch SWG und Image Designer vollkommen verwöhnt, wie auch immer: Das würde Wow sehr gut zu Gesicht stehen.

Quests und Geschichten.
Blizzard hat sich hier nicht mit dem Ruhm bekleckert etwas Neues oder gar Weltbewegendes in Sachen Quests und (heiliger aber eiliger) Aufträge in die Welt zu setzen. Es geht jedoch das Gerücht um, das manche Spielermotivation neben Powerleveln, Min/Maxen von Stats und RoXXoR-PvP auch von der Geschichte einer virtuellen Welt und deren Quests beflügelt wird: Daher sollen diese und das Questsystem lobende Erwähnung finden. Die Spieler, die sich wegen mangelnder Innovation über die "Aufträge" beschweren: Recht haben sie und in den meisten Rollenspielen wird uns immer wieder dieselbe Art von Quests begegnen, sei es Suchaufträge, Killtasks, Sammelwahn oder Botschaften überbringen, kurzum: Die üblichen Verdächtigen in Sachen Rollenspiel & Co. Zur Verteidigung von Blizzard sei gesagt, das die eher begrenzte Natur der Sache nicht viel Innovation zuläßt.

Zwei Dinge, die das Questen in World of Warcraft vor den meisten anderen Konkurrenten auszeichnet: Die Verpackung solcher altbekannten Aufträge und die Zugänglichkeit. Ob Bier schmuggeln, Kürbise klauen, in der Politik mitmischen oder bei der Erstellung von Kochrezepten helfen: Die Texte machen Laune, da wird Politik, Klatsch&Tratsch und Geschichten produziert. Wer sich darauf einläßt (und es als Rollenspiel-Veteran noch kann), darf sich als Bewohner einer äußerst quicklebendigen Welt mit einer langen Geschichte fühlen.

Erwartungsgemäß hat Blizzard es geschafft, ein kleines Meisterstück in Zugänglichkeit abzuliefern. Das Questbuch kommt nahe an das heran, was man sich in solchen Spielen immer gewünscht hat: Übersichtlichkeit, jedes einzelne Quest + Belohnung ist nachzulesen, man sieht ansatzweise ob man eine Chance hat es alleine zu lösen - Sic! Farbcodierung! - ein vernünftiges Interface, die Möglichkeit Quests einfach aus dem Buch der Aufträge zu löschen oder sie in vielen Fällen einfach mit der Gruppe zu teilen. Das Ganze ist noch in der Entwicklung, aber jetzt schon vielversprechend und auf dem Weg ein Standard und Gradmesser für zukünftige Genre Kandidaten zu werden: Mark my words!

Sehr praktikabel sind die Ausrufe- und Fragezeichen. Für diejenigen, die noch nie davon gehört haben: Das Erstere bedeutet, das ein NSC einen Auftrag zu vergeben hat, das Fragezeichen das hier ein Auftrag abzuliefern ist. Zusätzlich werden auf der Mini-Map die NPCs mit den Fragezeichen über den Kopf als grüner Punkt dargestellt. Es ist so simpel und herrlich entspannend, das man sich fragt: "Warum zur Hölle, wurde dies nicht in jedem Spiel so praktiziert?", denn schon nach kurzer Zeit möchte man es nicht mehr missen. Kein stundenlanges Studieren von Internetseiten fragwürdiger Qualität, die NPCs auflisten, bei denen man möglicherweise Quests in der Levelrange des Charakters bekommt. Das leidige Suchen nach dem Wunderknaben in irgendeiner finsteren Ecke, der unbedingt die Innereien eines Flußpferdes wollte, entfällt zum großen Teil. Da drüben leuchtet das Fragezeichen schon, im Schweinegallop hin und "Her mit der Belohnung, Kerl!".

Nach kurzer Zeit hatte sich mittels dieser Aufträge ein paar Level angesammelt - die XP durch Quests ist reichlich - und der Priester als Charakter bekommt plötzlich ein Gesicht. Was mir sehr gut an ihm gefällt, sind die offensiven Möglichkeiten, die ihn auch im Solo-Spiel bestehen lassen. Einen Dot, 2 verschiedene DDs, AE Fear, Shield, Renew, Heals und Buffs als Grundaustattung - mit dem Knaben läßt sich schon was anstellen.

Ich habe mich natürlich sofort in Holy Word: Shield verliebt und um den Spruch auch richtig zu Ehren gleich versucht ihn in Makros einzubauen. Nur eines vorneweg: Da es keinen Befehl gibt, der Pausen zwischen verschiedenen Zaubersprüche schiebt, ist es nicht möglich ein Macro zu erstellen, das mehrere Sprüche/Abilities auf einen Tastendruck abruft. Nicht schlecht, meine Herren und Damen, denn dank dieses kleinen Kniffes von Blizzard ist es schon einmal extremst schwierig bis unmöglich Buff- und Healbots, sowie diverse PvP-Schweinereien im Spiel selbst zu scripten *erleichterung*. Was mir beispielsweise trotzdem beim Solospielen sehr geholfen hat und in abgewandelter Form auch Zugang in die Gruppen-Leiste gefunden hat ist dieses:

/target NameDesEigenenCharakters
/cast Holy Word: Shield (Rank 2)
/script TargetLastEnemy();
/script AttackTarget();

Es macht nichts anderes als mitten im Kampf sich selbst als Ziel zu nehmen, Holy Shield zu sprechen, den Mob den man gerade bekämpft hat wieder ins Ziel zu nehmen, um diesen dann mit dem Knüppel weiter zu bearbeiten. Im Schutz des Schildes kann man je nach Monster einen Heal loswerden + beispielsweise einen flotten Mindblast casten, wenn es eng wird.

Wer mehr über einige der Befehle wissen will, die man benutzen kann, hier eine Liste:

http://www.cosmosui.org/texts/BlizzardCommands.xml

Kurzum, mit den Macros, den Talenten und den Fähigkeiten eines Priesters war es relativ schmerzfrei dem hundsgemeinen Solo-Spiel zu frönen. Exakt was ich mir erhofft hatte, denn ich hasse nichts mehr als einen halb autonomen Healbot zu spielen, der nur in einer Gruppe zu ein paar Xp kommt. Die Charakterklassen sind in Wow vielleicht nicht reichlich, aber eines kann ich zumindestens für die ersten Level bis in die späten Teens sagen: Jeder Charakter hat Spass gemacht zu spielen, besitzt ein paar interessante Fähigkeiten und kann alleine in die Welt rausgehen und bestehen.

Tradeskills
Für das lässige PvE Spiel hat mein kleiner Priester Alchemy + Herbalism erlernt. Ich für meinen Teil schätze es sehr eine
gewisse Unabhängigkeit zu bewahren und nicht von einem Vorrat bei Auktionshändler oder dem gierigen Händler um die Ecke abhängig zu sein. Ein Gang in eine Instanz steht an und der Dealer deines Vertrauens ist nicht online? Darf nicht sein! Manatränke selbst herzustellen ist unbezahlbar und ohne sollte ein Priester nicht aus dem Haus gehen. Heiltränke sind vor allem im Solospiel der Renner, sowie alles was Attribute (mehr Mana, höhere Chance auf kritische Treffer etc.) und Regeneration erhöht. Sehr schön ist es, dass die kleinen, süßen Buffs aus der Flasche 60 Minuten halten und man diverse Rezepte gleich zu Anfang mit auf dem Weg bekommt.

Das Craften ist einfach, schnell erlernt und macht Spass: Seltene Rezepte sammeln, einen Lehrmeister zu finden der dir den Trank beibringen kann oder auf dem Weg von Punkt A nach Punkt B ein paar Kräuter pflücken. Keine Critical Failures oder anderen Unfug der dir künstlich den Tag versaut. Mit ein bisschen Arbeit seitens der Designer werden die Tradeskills eine Runde Sache im fertigen Spiel. Mit Unbehagen sehe ich jedoch Mining und Herbalism entgegen. Das liegt vor allem daran, dass Kräuter als auch die Erzvorkommen immer wieder an denselben Stellen auf einer Landkarte zu finden sind. Gewisse Kräuter und deren Vorkommen wurden teilweise regelrecht von den Kräuterpflückern belagert. Auch hier: Handlungsbedarf seitens Blizzard. Ich für meinen Teil möchte nicht stundenlang mit denselben 10 Leuten meine Runden um 3 Vorkommen drehen, damit ich meinen Anteil an der Beute abbekomme.

Fazit:
Blizzard hat das Genre nicht neu erfunden, sie dürfen sich aber jetzt schon auf die Fahne schreiben, dass sie wohl das vollständigste Online-Rollenspiel, das jemals bei einem Release das Licht der Welt erblickt hat, abliefern werden. Content ist massiv vorhanden (eine schier unanständige Menge an Quests, Geschichte und NPCs), das Interface genial einfach zu bedienen und durch Modifikationen - bisher - beliebig veränderbar. Die Grafik liebt man oder hasst man, aber diese virtuelle Welt unterscheidet sich nicht wie bei anderen Spielen durch die Anzahl an Polygone oder eine noch größere realistischer Darstellung gegenüber den Vorgängern, sondern durch die Tatsache, dass sie einen eigenen Stil hat. In dieser Beziehung müssen sich die Konkurrenten auf dem Markt warm anziehen: Gute Grafik alleine reicht nicht aus, die haben die meisten Spiele inzwischen reichlich.

Natürlich existieren immer noch zahlreiche Bugs, die sich jedoch erfreulicherweise in Grenzen halten und bis zum Release wohl verschwunden sind. Es läuft stabil und weitgehend lagfrei, die Exploits bisher gering. Die Animationen brauchbar, das Gameplay einfach zu erlernen und etwas schwieriger zu meistern - was viele Spieler Tag für Tag im Stresstest bewiesen haben. Es macht einen Höllenspaß sich in einem Spiel herumzutreiben, das nicht von tausenden Kinderkrankheiten, mangelnder Kreativität und groben Designschnitzern geplagt ist. Meine Damen und Herren - es wird also keine offene, kostenpflichtige Beta wie in SWG oder Daoc geben, die den Namen "Release" und "fertiges Spiel" trägt und Monate andauert, bis es erträglich wird.

Von 10 möglichen Punkten: 7 Punkte, die durchaus noch mit den Battlegrounds und anderen Spielereien in Sachen PvP und Endgame - Raids! - ansteigen können und werden.


Link: Foren Thread auf wow.de
 
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